Dieser Artikel beschreibt den Tübinger Filmverleih. Zum gleichnamigen Berliner Arsenal – Institut für Film und Videokunst e. V. siehe Arsenal (Filminstitut).
Die Arsenal Filmverleih GmbH ist ein unabhängiger deutscher Filmverleih in Tübingen, der auch als Filmproduktionsunternehmen tätig ist und zusammen mit anderen unabhängigen Verleihfirmen ein eigenes DVD-Label betreibt. Neben Musikfilmen ist das Unternehmen u. a. auf skandinavisches und französisches Arthousekino spezialisiert.
Rechtlich selbständig sind die Arsenal Kinobetriebe Stefan Paul KG mit den Spielstätten „Arsenal“ und „Atelier Café Haag“.
Nachdem der Germanistik- und Amerikanistikstudent und freie Mitarbeiter des SDR, Stefan Paul (* 1946 in Leipzig), Anfang der 1970er-Jahre bereits Filmabende und Rockkonzerte in der linken, durch die Studentenbewegung der 1960er-Jahre beeinflussten Kulturszene Tübingens organisiert hatte, gründete er 1975 mit Egon Nieser den Arsenal Filmverleih als Kommanditgesellschaft, nachdem Paul im Vorjahr bereits das Kino Arsenal gegründet hatte, das als ältestes ProgrammkinoBaden-Württembergs gilt.[1] Die gleichnamige Verleihfirma wurde in der Folge thematisch ähnlich ausgerichtet und war damit einer der ersten unabhängigen Filmverleihe Deutschlands.[2]
Der erste Film, den Arsenal in die deutschen Kinos brachte, war die Anarcho-Groteske Themroc mit Michel Piccoli. Danach spezialisierte sich das Unternehmen auf Musik-Dokumentationen. Ein weiteres Standbein waren amerikanische Independent-Filme, insbesondere das Frühwerk von John Waters von Pink Flamingos bis Hairspray.
Ab 1979 wurde das Verleihprogramm durch Eigenproduktionen ergänzt. Dabei handelte es sich meist um Musikfilme bzw. -dokumentationen, bei denen Stefan Paul Regie führte und teilweise auch für das Drehbuch verantwortlich war. Die erste eigene Produktion war der Musik-Dokumentarfilm Reggae Sunsplash mit Bob Marley und Peter Tosh, der 1979 auf dem gleichnamigen Reggae-Festival aufgenommen wurde.
Einen größeren Stellenwert in jüngerer Zeit hat die Rio-Reiser-Trilogie, die aus Rio Reiser – König von Deutschland (2004), Jan Plewka singt Rio Reiser (2006) und Lass uns’n Wunder sein – Auf der Suche nach Rio Reiser (2008) besteht, sowie der Konzertfilm Mercedes Sosa – Sera posible el sur (1985/2008).
Den größten Erfolg der 1980er erzielte 1983 der romantische Krimi Diva von Jean-Jacques Beineix mit mehr als einer Million Zuschauern. Eine längere Durststrecke in den 1990er-Jahren wurde erst 1999 mit dem Film Der (wirklich) allerletzte Streich der Olsenbande, der letzten Folge der vor allem in Ostdeutschland immens erfolgreichen dänischen Komödienreihe um die kleinkriminelle Olsenbande, beendet. Im Jahr 1999 erwarb der Kinowelt-Konzern die Mehrheit des Arsenal Filmverleihs und dessen gesamten Katalog, nachdem Kinowelt im gleichen Jahr bereits den Filmverlag der Autoren übernommen hatte,[3] um den eigenen Katalog um hochwertige Titel zu ergänzen. Stefan Paul, der sich von dieser Fusion die Erschließung neuer Marktsegmente erhoffte, blieb neben Kinowelt-Chef Michael Kölmel einer der Geschäftsführer der neuen GmbH.[4] Doch schon im Jahr 2000 übernahm Paul wieder die Kontrolle über das Unternehmen, kurz bevor die finanziell angeschlagene Kinowelt Konkurs anmelden musste. In der Folge wurde das Verleihprogramm stärker auf skandinavisches und französisches Kino ausgerichtet.
Bis heute veröffentlicht der Arsenal Filmverleih deutschlandweit jährlich zehn bis zwölf Filme, teilweise werden Filme auch ins deutschsprachige Ausland verkauft. Zum Katalog gehören auch Filme, die mit César, Goldener Palme oder Oscar prämiert sind, die jedoch nicht in das Mainstream-Konzept der großen Multiplex-Kinos passen, und umsatzmäßig riskante Filme, deren Distribution, aufgrund ihres künstlerischen Werts, durch Verleihförderpreise und -zuschüsse unterstützt und teilweise erst ermöglicht wird. Zu letzteren gehören bspw. Filme wie Welcome[5] (2009) von Philippe Lioret und Die Farbe der Milch von Torun Lian.
Seit 2005 betreibt Arsenal zusammen mit ursprünglich acht, inzwischen neun, weiteren unabhängigen Filmverleihfirmen das DVD-Label Good Movies, das die Verwertung der Filmrechte erleichtern soll und dessen Finanzierung, technische Abwicklung und Marketing vollkommen in der Hand der Verleihfirmen liegt.[6] Angesichts der stark geschrumpften deutschen Programmkinolandschaft ist außerdem die Kooperation mit den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern zu einem weiteren wichtigen wirtschaftlichen Standbein des Unternehmens geworden.[7]
2001,[8] 2006[9] und 2010[10] wurde das Unternehmen „für besondere Leistungen bei der Verbreitung künstlerisch herausragender Filme“ mit dem mit 75.000 € dotierten deutschen Verleiherpreis der Bundesregierung ausgezeichnet. Dabei würdigte die Jury im Jahr 2006 neben dem vielfältigen und anspruchsvollen Verleihprogramm insbesondere das Durchhaltevermögen und die Beständigkeit des Unternehmens auf dem Filmkunstmarkt.[2]
Filme
Musikfilme
Von Anfang an standen Musikfilme bei Arsenal Filmverleih im Mittelpunkt.
Spätestens seit der Veröffentlichung von Philippe LioretsDie Frau des Leuchtturmwärters mit Sandrine Bonnaire im Jahr 2005 liegt das Augenmerk des Arsenal Filmverleihs wieder auf dem französischen Film und folgt damit einer Tradition, die bereits 1983 mit Diva begonnen hatte.
Zu den wichtigsten französischen Filmen im Repertoire gehören Intime Fremde (2004) von Patrice Leconte, Zwei ungleiche Schwestern (2005) von Alexandra Leclère, Herzen (2006) von Alain Resnais, Dialog mit meinem Gärtner (2007) und Tage oder Stunden (2008) von Jean Becker, die Literaturverfilmung Ein Geheimnis von Claude Miller nach dem gleichnamigen Roman von Philippe Grimbert sowie 2009 die Künstlerbiographie Seraphine von Martin Provost über die Malerin des Art BrutSéraphine Louis mit Yolande Moreau und Ulrich Tukur in den Hauptrollen.
Die aktuell relevantesten französischen Filme im Verleih von Arsenal sind das Flüchtlingsdrama Welcome (2010), ebenfalls von Philippe Lioret, das mit Vincent Lindon in der Hauptrolle vom Scheitern der Menschlichkeit an den französischen Migrationsgesetzen erzählt, und die Komödie Fasten auf Italienisch (2010) mit Kad Merad, die sich auf humoristische Weise ebenfalls mit der Migrationsproblematik befasst. Außerdem ist Arsenal der deutsche Verleih von Leos Carax’ Kunstfilm Holy Motors, der 2012 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes für Furore sorgte.[11]
Auch dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten widmet Arsenal Filmverleih mit zahlreichen Filmen seine Aufmerksamkeit und behandelt dabei oft auf unterschiedlichste Weise die dortigen Konflikte. Das Repertoire reicht hierbei von Komödien wie Alles was ich an Euch liebe (Spanien, Argentinien 2004) über politische Filme wie Lemon Tree (Israel/Deutschland/Frankreich 2007) von Eran Riklis, Walk on Water (Israel 2004) von Eytan Fox, No Man’s Land (Frankreich/Belgien/Großbritannien/Slowenien 2001) von Danis Tanović oder Das Herz von Jenin (Israel/Deutschland 2008) von Marcus Vetter bis hin zu Arthouse-Spielfilmen wie Jellyfish – vom Meer getragen (Israel/Frankreich 2007) von Etgar Keret und Shira Geffen, Die große Reise (Marokko/Frankreich 2004) von Ismaël Ferroukhi oder Drei Affen (Türkei/Frankreich/Italien 2008) von Nuri Bilge Ceylan.
Spanischsprachiger Raum
Eine weitere Facette des Repertoires bilden Filme aus dem spanischsprachigen Raum, wobei auch hier die Themenpalette von Komödien wie z. B. Ein ferpektes Verbrechen (2003) von Álex de la Iglesia, Nicotina (Mexiko 2003) von Hugo Rodríguez oder Susos Turm (Spanien 2007) von Tom Fernández bis hin zu Dramen wie Der Wind (Argentinien/Spanien 2005) von Eduardo Mignogna, dunkelblaufastschwarz (Spanien 2006) von Daniel Sánchez Arévalo reicht.