Argutit

Argutit
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Nummer

1980-067[1]

IMA-Symbol

Agt[2]

Chemische Formel GeO2[1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Oxide und Hydroxide
System-Nummer nach
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

IV/D.02-045

4.DB.05
04.04.01.07
Kristallographische Daten
Kristallsystem tetragonal
Kristallklasse; Symbol ditetragonal-dipyramidal; 4/m2/m2/m[3]
Raumgruppe P42/mnm (Nr. 136)Vorlage:Raumgruppe/136[4]
Gitterparameter a = 4,40 Å; c = 2,86 Å[4]
Formeleinheiten Z = 2[4]
Häufige Kristallflächen {111}, {100}, {101}
Zwillingsbildung gelegentlich nach {101}[5]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 6 bis 7 (ähnlich wie der verwandte Kassiterit)[5]
Dichte (g/cm3) berechnet: 6,28[5]
Spaltbarkeit nicht definiert
Farbe grauschwarz,[6] hellgrau im Auflicht[5]
Strichfarbe nicht definiert
Transparenz durchscheinend[5]
Glanz nicht definiert

Argutit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der chemischen Zusammensetzung GeO2 und damit chemisch gesehen Germanium(IV)-oxid (auch Germaniumdioxid).

Argutit kristallisiert im tetragonalen Kristallsystem und konnte bisher nur in Form von mikroskopisch kleinen Kristallen von bis zu 20 μm Größe[5] entdeckt werden, die in Sphalerit eingebettete hypidiomorphe Kristalle. Das durchscheinende Mineral ist von grauschwarzer, im Auflichtmikroskop auch hellgrauer, Farbe.

Etymologie und Geschichte

Die synthetische Verbindung Germaniumdioxid und deren Polymorphie ist durch die Untersuchungen von A. W. Laubengayer und P. L. Brandt mindestens seit 1932 bekannt.[7][8] Die Kristallstruktur von Germaniumdioxid und einiger anderer Vertreter des Rutiltyps wurde 1956 durch Werner H. Baur endgültig entschlüsselt.[9]

Als natürliche Mineralbildung wurde Germaniumoxid zusammen mit Carboirit (Fe2+Al2GeO5(OH)2[1]) erstmals in der Lagerstätte Plan d'Argut bei Argut-Dessous im Département Haute-Garonne in der französischen Region Okzitanien entdeckt. Die Erstbeschreibung erfolgte 1983 von Z. Johan, E. Oudin und Paul Picot, die dem Mineral nach dessen Typlokalität den Namen Argutit gaben.

Das Typmaterial des Minerals wird in der Mines ParisTech (auch École nationale supérieure des mines, ENSM) aufbewahrt.[10]

Klassifikation

Da der Argutit erst 1980 als eigenständiges Mineral anerkannt wurde, ist er in der seit 1977 veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz noch nicht verzeichnet. Einzig im Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. IV/D.02-45. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Oxide mit [dem Stoffmengen]Verhältnis Metall : Sauerstoff = 1 : 2 (MO2 & Verwandte)“, wo Argutit zusammen mit Kassiterit, Paratellurit, Plattnerit, Pyrolusit, Rutil und Tripuhyit die „Rutil-Gruppe“ bildet (Stand 2018).[6]

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[11] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Argutit ebenfalls in die Abteilung der „[Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis] Metall : Sauerstoff = 1 : 2 und vergleichbare“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen und der Kristallstruktur, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen Kationen; Ketten kantenverknüpfter Oktaeder“ zu finden ist, wo es zusammen mit Kassiterit, Plattnerit, Pyrolusit, Rutil, Tripuhyit, Tugarinovit und Varlamoffit die „Rutilgruppe“ mit der System-Nr. 4.DB.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Argutit in die Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort in die Abteilung der „Oxide“ ein. Hier ist er zusammen mit Ilmenorutil, Kassiterit, Plattnerit, Pyrolusit, Rutil, Squawcreekit, Stishovit und Strüverit in der „Rutilgruppe (Tetragonal: P42/mnm)“ mit der System-Nr. 04.04.01 innerhalb der Unterabteilung „Einfache Oxide mit einer Kationenladung von 4+ (AO2)“ zu finden.

Chemismus

In der idealen (theoretischen) Zusammensetzung besteht Argutit (GeO2) aus Germanium (Ge) und Sauerstoff (O) im Stoffmengenverhältnis von 1 : 2, was einem Massenanteil (Gewichts-%) von 69,42 Gew.-% Ge und 30,58 Gew.-% O (= 100 %) entspricht.

Insgesamt sieben Mikrosondenanalysen am Typmaterial aus der Lagerstätte Plan d'Argut ergaben allerdings eine abweichende Zusammensetzung von 95,82 Gew.-% GeO2 mit zusätzlichen Beimengungen von 0,17 Gew.-% MnO2, 1,20 Gew.-% FeO und 3,03 Gew.-% ZnO.[12]

Kristallstruktur

Argutit kristallisiert in der tetragonalen Raumgruppe P42/mnm (Raumgruppen-Nr. 136)Vorlage:Raumgruppe/136 mit den Gitterparametern a = 4,40 Å und c = 2,86 Å sowie zwei Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Bildung und Fundorte

Argutit bildete sich in einer Zinklagerstätte in metamorphem Sedimentgestein. Als Begleitminerale können neben Sphalerit unter anderem noch Kassiterit, Siderit und selten auch Briartit auftreten.[5]

Außer an seiner Typlokalität, der Lagerstätte Plan d'Argut sowie der nahe gelegenen Lagerstätte Rimbatz bei Argut-Dessous trat das Mineral im Département Haute-Garonne noch an mehreren Fundstellen bei Bagnères-de-Luchon, Melles und Saint-Béat zutage. Daneben fand es sich in der Region Okzitanien noch bei Saubé, Sentein-Bentaillou und Carboire nahe Saint-Girons im Département Ariège und bei Lèches nahe Lourdes im Département Hautes-Pyrénées.

Des Weiteren kennt man Argutit nur noch aus Mineralproben, die im Kontinentalschelf vor der Küste Namibias und in der Mangan-Lagerstätte der Grube Arschitza (englisch Arșița Mine) etwa 4 km entfernt von Iacobeni im rumänischen Kreis Suceava (Stand 2020).[13]

Siehe auch

Literatur

  • Werner H. Baur: Über die Verfeinerung der Kristallstrukturbestimmung einiger Vertreter des Rutiltyps: TiO2, SnO2, GeO2 und MgF2. In: Acta Crystallographica. Band 9, Nr. 6, 1956, S. 515–520, doi:10.1107/S0365110X56001388 (als Download verfügbar bei researchgate.net [abgerufen am 25. September 2020]).
  • Z. Johan, E. Oudin, Paul Picot: Analogues germanifères et gallifères des silicates et oxydes dans les gisements de zinc des Pyrénées centrales, France; argutite et carboirite, deux nouvelles espèces minérales. In: Tschermaks Mineralogische und Petrographische Mitteilungen. Band 31, 1983, S. 97–119 (französisch).
  • Pete J. Dunn, Louis J. Cabri, George Y. Chao, Michael Fleischer, Carl A. Francis, Joel D. Grice, John Leslie Jambor, Adolf Pabst: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 69, 1984, S. 406–412 (englisch, rruff.info [PDF; 684 kB; abgerufen am 25. September 2020]).
  • Takamitsu Yamanaka, Kiyoshi Ogata: Structure refinement of GeO2 polymorphs at high pressures and temperatures by energy-dispersive spectra of powder diffraction. In: Journal of Applied Crystallography. Band 24, 1991, S. 111–118, doi:10.1107/s0021889890011153 (englisch).

Einzelnachweise

  1. a b c Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2024. (PDF; 3,6 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2024, abgerufen am 13. August 2024 (englisch).
  2. Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 5. Januar 2023]).
  3. David Barthelmy: Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 25. September 2020 (englisch).
  4. a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 207 (englisch).
  5. a b c d e f g Argutite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 70 kB; abgerufen am 25. September 2020]).
  6. a b Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  7. A. W. Laubengayer, P. L. Brandt: Germanium. XXXVII. Germanium dioxide gel. Preparation and properties. In: Journal of the American Chemical Society. Band 54, Nr. 2, Februar 1932, S. 549–552, doi:10.1021/ja01341a015 (englisch).
  8. A. W. Laubengayer, P. L. Brandt: Germanium. XXXIX. The polymorphism of germanium dioxide. In: Journal of the American Chemical Society. Band 54, Nr. 6, Juni 1932, S. 2303–2320, doi:10.1021/ja01345a019 (englisch).
  9. Werner H. Baur: Über die Verfeinerung der Kristallstrukturbestimmung einiger Vertreter des Rutiltyps: TiO2, SnO2, GeO2 und MgF2. In: Acta Crystallographica. Band 9, Nr. 6, 1956, S. 515–520, doi:10.1107/S0365110X56001388 (als Download verfügbar bei researchgate.net [abgerufen am 25. September 2020]).
  10. Catalogue of Type Mineral Specimens – A. (PDF 85 kB) In: docs.wixstatic.com. Commission on Museums (IMA), 12. Dezember 2018, abgerufen am 25. September 2020.
  11. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom Original am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
  12. Pete J. Dunn, Louis J. Cabri, George Y. Chao, Michael Fleischer, Carl A. Francis, Joel D. Grice, John Leslie Jambor, Adolf Pabst: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 69, 1984, S. 406–412 (englisch, rruff.info [PDF; 684 kB; abgerufen am 25. September 2020]).
  13. Fundortliste für Argutit beim Mineralienatlas und bei Mindat, abgerufen am 25. September 2020.