Sechs Tage nach der Geburt von Anne Marie starb ihre Mutter, was schwere Vorwürfe an die behandelnde Hebamme Louyse Bourgeois zur Folge hatte. Anne Marie war so die Erbin des reichen Herzogtums Montpensier und nach dem Tode der Mutter nicht nur die wohlhabendste Frau Frankreichs, sondern nach der Königin auch die Frau mit dem zweithöchsten Rang im gesamten französischen Königreich.
Nach dem Tod Ludwigs XIII. gab es von Seiten dessen Frau, Anna von Österreich, welche die Regentschaft für ihren seinerzeit noch minderjährigen Sohn Ludwig XIV. ausübte, und des Premierministers Kardinal Mazarin diverse Bestrebungen, Anne Marie zum Wohle Frankreichs mit dem Mitglied eines namhaften europäischen Adelsgeschlechts zu verheiraten. Auch Anne Maries Vater Gaston d’Orléans war um eine vorteilhafte Heirat seiner Tochter bemüht, hatte aber gänzlich entgegengesetzte Ambitionen, denn er kämpfte – trotz seiner engen Verwandtschaft zum Königshaus – schon seit geraumer Zeit gegen dessen Politik des Absolutismus. Doch sowohl Kardinal Mazarin als auch ihr Vater hatten die Rechnung ohne die 16-jährige Herzogin gemacht, die ihren zukünftigen Ehemann selbst bestimmen wollte. Es sollte noch etliche Jahre dauern, ehe ein Mann ihr Wohlgefallen fand und Anne Marie heiratete.
Gerade volljährig ergriff sie im Jahr 1648 während der Fronde Partei für Louis II. de Bourbon, den Fürsten von Condé, und damit gegen das Königshaus. Sie tat dies nicht nur mit guten Worten. Berühmt-berüchtigt ist bis zum heutigen Tage die Geschichte, dass sie sich dazu hinreißen ließ, persönlich Kanonen gegen die Armee Mazarins und des jungen Königs Ludwigs XIV abfeuern zu lassen. Nachdem der Kardinal die Aufstände 1653 endgültig niederschlagen konnte, wurde Anne Marie vom Hofe verbannt und für fünf Jahre ins Exil nach Saint-Fargeau geschickt.
Nach ihrer Rückkehr 1657 starb ihr Vater 1660, und schon bald entbrannte am französischen Königshof eine erneute Debatte bezüglich einer Hochzeit Anne Maries. Als sie sich dem „Wunsch“ ihres Cousins Ludwig nach einer Heirat mit dem König von Portugal widersetzte, wurde sie von ihm 1663 zur Strafe ein weiteres Jahr nach Saint-Fargeau verbannt.
Fast vierzigjährig begegnete Marie Anne dann doch noch dem Mann, den sie nach einigen Irrungen heiratete: Antonin Nompar de Caumont, Herzog von Lauzun, Offizier der königlichen Garde. Doch sein anfängliches Einverständnis zur Hochzeit widerrief Ludwig XIV.; mehr noch, Antonin wurde festgesetzt und ins Gefängnis geworfen. Anne Marie musste einen nicht unerheblichen Anteil ihrer Besitzungen an die Kinder ihres Cousins übereignen, um die Freilassung des Geliebten 1681 zu bewirken.
Die beiden heirateten heimlich kurz nach der Freilassung Lauzuns, doch die mittlerweile 57-jährige musste schnell bemerken, dass ihre Ehe alles andere als das von ihr erträumte Paradies darstellte. Nach nur drei Jahren verließ sie ihren Ehemann im Jahr 1684.
Die letzten Lebensjahre verbrachte Anne Marie Louise d’Orléans damit, ihre vor mehr als 30 Jahren begonnenen Memoiren zu beenden, die nach ihrem Tod 1729 in Amsterdam veröffentlicht wurden.
Christian Bouyer: La grande Mademoiselle. Anne Marie Louise d’Orleans, duchesse de Montpensier. Albin, Paris 1986, ISBN 2-226-02712-2.
Jean Garapon: La culture d’une princesse. Écriture et autoportrait dans l’œuvre de la Grande Mademoiselle. Champion, Paris 2003, ISBN 2-7453-0832-7.
Sophie Maríñez: Mademoiselle de Montpensier. Writing, châteaux, and female self-construction in early modern France. Brill, Leiden 2017, ISBN 978-90-04-33720-6.
Vita Sackville-West: Tochter Frankreichs. Das abenteuerliche Leben der Anne Marie Louise d’Orleans, Herzogin von Montpensier. Wegner, Hamburg 1960.
↑Vincent Joseph Pitts: La Grande Mademoiselle at the Court of France.Johns Hopkins University Press, ISBN 0-8018-6466-6, S. 159; Renate Baader: Dames de lettres. Autorinnen des preziösen, hocharistokratischen und „modernen“ Salons 1649–1698: Mlle de Scudéry, Mlle de Montpensier, Madame d’Aulnoy. Metzler, Stuttgart 1986, ISBN 3-476-00609-3, passim