„Alles für Deutschland“ ist eine Losung, die während der Zeit des Nationalsozialismus von der Sturmabteilung (SA), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP, verwendet wurde. Heute ist es in Deutschland insbesondere strafbar, die Losung zu verbreiten oder öffentlich oder in einer Versammlung zu verwenden, da sie als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gilt.
In seiner Königlichen Proklamation vom 6. März 1848 schloss König Ludwig I. von Bayern mit den Worten: „Alles für Mein Volk! Alles für Teutschland!“[1]
In den 1930er Jahren finden sich Beispiele der Verwendung dieser Losung von Vertretern der SPD, der DNVP[2] und der katholisch geprägten Zentrumspartei. Karl Höltermann, Sozialdemokrat und geschäftsführender Bundesvorsitzender des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, formulierte in einem Aufruf von 1932 unter anderem: „Wir wollen nichts für uns – alles für Deutschland!“[3] Er bezog sich dabei auf einen Brief des ersten Bundesvorsitzenden des Reichsbanners, Otto Hörsing, der von Höltermann am 26. Dezember 1931 in der Reichsbanner-Zeitung unter der Überschrift „Nichts für uns - alles für Deutschland!“ veröffentlicht worden war und in dem Hörsing unter anderem schrieb: „Es bleibt bei unsrer alten Parole: Nichts für uns - alles für Deutschland!“ sowie „Wir wollen nichts für uns - alles für Deutschland!“[4]
In der NS-Zeit
Die Nationalsozialisten machten sich den Wahlspruch zu eigen;[5] er wurde zur Losung der SA[6] und war in die Klingen der SA-Dienstdolche eingraviert.[7]
Der Historiker und Leiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, weist darauf hin, dass die Losung „seit den 1920er-Jahren während der gesamten Zeit des Nationalsozialismus“ von der SA als Leitspruch verwendet wurde, im Nationalsozialismus überall zu sehen war und „zum Standardrepertoire der NS-Propaganda“ gehörte.[7]
Die Hitlerjugend verwendete den Spruch in einer leicht abgewandelten Form.[17]
Dokumentiert ist die Verwendung in dieser Zeit auch in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft außerhalb von Staatsapparat und Partei, beispielsweise bei der Feuerwehr,[18] in Schulbüchern,[19] der evangelischen Kirche Aalen,[20] und in Zigarettenalben.[21]
Im Bundestagswahlkampf 2017 ließ Ulrich Oehme, Kandidat und späterer Bundestagsabgeordneter der Alternative für Deutschland (AfD), Plakate mit der Losung aufhängen. Das Strafverfahren gegen ihn wurde eingestellt, weil ihm nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Halle kein Vorsatz nachzuweisen gewesen sei.[33]
Kay-Uwe Ziegler, stellvertretender Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, beendete eine Rede 2020 mit der Parole. Er gab später an, er „habe den historischen Hintergrund des Zitats nicht gekannt“.[34]
Der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke wählte bei einem Wahlkampfauftritt 2021 für seine Rede den Schlusssatz: „Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland!“ Darauf hin erstattete der Grünen-Landtagsabgeordnete Sebastian Striegel Anzeige.[35] Gegen die Verurteilung durch das Landgericht Halle im Jahr 2024[36] (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, § 86a StGB)[37] legte Höcke Revision ein; der Fall geht an den Bundesgerichtshof.[38] Noch während das Verfahren lief,[36] sprach Höcke auf einer Veranstaltung in Gera 2023 als Redner den ersten Teil der SA-Losung selbst aus und forderte das Publikum auf, „…Deutschland“ zu rufen.[39] Das Landgericht Halle verurteilte Höcke deswegen erneut zu einer Geldstrafe.[40] Auch gegen dieses Urteil legte Höcke Revision ein.[41] Die Expertin für Rechtsextremismus Kira Ayyadi sieht Höckes Vorgehen eingebettet in das „perfide Kommunikationsprinzip“ der „kalkulierten Mehrdeutigkeit“ in großen Teilen der AfD, um „die Grenzen des Sagbaren auszuloten und auszuweiten.“ Diese Hundepfeifen-Politik, auch „Dog Whistling“ genannt, sei für Gruppen eine nützliche Strategie, die extreme Ideologien vertreten, sich aber als harmlos präsentieren wollten.[42]
Im Juli 2024 skandierten AfD-Mitglieder bei einer Kundgebung im sächsischen Freiberg die SA-Parole.[43]
In Deutschland ist es nach dem Straftatbestand Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (§ 86aStGB) grundsätzlich verboten, Kennzeichen von bestimmten Organisationen zu verbreiten oder öffentlich oder in einer Versammlung zu verwenden; zudem sind auch bestimmte Vorbereitungshandlungen mit Strafe bedroht. Schwerpunkt der Anwendung des § 86a StGB sind Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen (§ 86a StGB in Verbindung mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Kennzeichen sind dabei nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere auch Parolen.
Auch die Parole „Alles für Deutschland“ wird als solches Kennzeichen angesehen, da es sich hierbei um die Losung der SA handelte. Daher entschied das Oberlandesgericht Hamm am 1. Februar 2006, dass die Nutzung dieser Parole bei einer Veranstaltung einen strafbaren Verstoß gegen § 86a StGB darstelle.[32] Entsprechend entschied am 14. Mai 2024 erstinstanzlich das Landgericht Halle.[36] Auch gemäß der deutschen strafrechtlichen Literatur[44][45][46] und beispielsweise der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung[47] ist die Losung ein Kennzeichen im Sinne des Straftatbestandes. In einer Publikation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages heißt es hierzu: „Strafbar ist auch das Verwenden der Sentenz ‚Alles für Deutschland‘ im Rahmen einer Rede auf einer Versammlung, da es sich hierbei um die Losung der SA handelte.“[48]
Im Jahr 2017 wurde ein Strafverfahren gegen den AfD-Politiker Ulrich Oehme eingestellt, weil ihm nicht sicher das Wissen nachzuweisen war, dass die Losung die einer verbotenen NS-Organisation ist und sich „aus dem Wortlaut kein Bezug zum NS-Regime“ ergebe.[49]
Würde man das Eingreifen von § 86a StGB ablehnen, könnte nach dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen auch eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 4 StGB in Betracht kommen.[30]
↑Ernst Röhm: Die nationalsozialistische Revolution und die S.A. Hrsg.: „Die nationalsozialistische Revolution und die S.A.“, in: Monatsschrift für Kulturpolitik und zwischenstaatliche geistige Zusammenarbeit, Herausgeber Dr. jur. Dr. phil. Adolf Morsbach, Heft 6, Juni 1934. 6. Juni 1934.
↑Dieter Felbick: Schlagwörter der Nachkriegszeit 1945–1949. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2003, ISBN 3-11-017643-2, S. 417; Hervorhebung wie im Original.