Albrecht, vermutlich ein Ministerialer der Grafen von Rapperswil, bekleidete mit dem Marschallsamt ein Erb- und Hofamt: Der Marschall, zunächst im Wesentlichen der Stallmeister, der die Oberaufsicht über die Pferde (Marstall) und damit über das berittene Gefolge führte, bekam mit dem Aufkommen der Ritterheere im Kriegsfall den Oberbefehl über die Führung der Ritterschaft und Landstände. Daneben war der Marschall auch für die Oberaufsicht über das gesamte Hofwesen verantwortlich und übernahm die Aufgaben und Pflichten des Truchsess, Mundschenks und Küchenmeisters.
Die Namen der Marschälle in Diensten der Grafen von Rapperswil sind nicht überliefert, die historische Zuordnung umstritten. Personen, mit denen Albrecht von Rapperswil identifiziert werden könnte, sind in den Jahren 1271/76 und 1282[1] beziehungsweise 1272, 1276, 1321 und 1336 beurkundet.[2][3]Karl Bartsch nahm an, dass Albrecht vermutlich nicht aus dem 14. Jahrhundert stammte, «denn in der Pariser Hf. [Handschrift][4], die allein seine Lieder enthält, ist er nebst den ihn umgebenden Dichtern, die ebenfalls der Schweiz und bestimmt dem 14. Jahrhundert angehören, erst später nachgetragen. Auch verräth seine Sprache und sein Versbau entschieden eine jüngere Zeit.»[5]
Ob Albrecht von Rapperswil ein naher Verwandter von Graf Johann I. von Habsburg-Laufenburg (* vor 1295/6 – † 1337) und dessen Sohn Johann II. war, ist nicht sicher, aber möglich. Mehrere Mitglieder des Grafenhauses der Rapperswiler sind zu Beginn des 14. Jahrhunderts als Minnesänger dokumentiert: Lieder von Wernher von Homberg, dem Sohn der Gräfin Elisabeth von Rapperswil (* 1251/61 – † 1309) aus erster Ehe, sind ebenfalls im Codex Manesse zu finden (folio 43v). Von Elisabeths Enkel Johann II. (* 1330 – † 1380) ist das Minnelied «Blümli blawe» überliefert, das Johann Wolfgang Goethe zu der Ballade «Das Blümlein Wunderschön: Lied des gefangenen Grafen» inspirierte.[6]
Werk
Im Codex Manesse werden Albrecht von Rapperswil als Albrecht Marschall von Rapperswil (folio 192v) drei Lieder zugeschrieben.
Das Verfasserbild zeigt im oberen Drittel drei unterschiedlichen Kopfschmuck tragende Hofdamen und zwei Musikanten zu sehen. Die kämpfenden Ritter sind mit Kettenpanzern, Beinschienen und Topfhelmen geschützt. Die zwei klein dargestellten Personen sind die Schildknappen (Kriiere) der Ritter. Sie waren den Rittern während der Turniere behilflich, scheinen hier aber selbst einen Kampf untereinander auszutragen.[7] Die unrealistischen Größenverhältnisse der abgebildeten Personen stellen den unterschiedlichen gesellschaftlichen Rang dar. Das Wappen der Rapperswiler, in deren Dienst Albrecht stand,[8] wird dreimal gezeigt; der Löwe auf der Sattellehne weist darauf hin, dass Rapperswil bei der Entstehung der Miniatur (Maler N1) im Codex Manessehabsburgisch war.[2]
Eine Einordnung von Albrechts drei Liedern in das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts ist aus inhaltlichen und formalen Gründen möglich.[2] Die ersten beiden ihm zugeschriebenen Lieder sind mit Wiederholungen arbeitende Bare; Lied 2 ist eine Abwandlung des ersten Liedes, das mit (nicht durchgehaltenen) Binnenreimen arbeitet, Lied 3 eine vierhebigeKanzone. Albrechts Lieder sind dreistrophig, beginnen mit einer Schilderung der Natur und behandeln im Weiteren die für den Minnesang üblichen Themen Frauenpreis und Bitte um Minneerfüllung durch die Frau; das Leiden an der Minne bleibt weitgehend ausgespart. Stilistische Vorbilder in Bezug auf Sprachformeln und Bilder sind Ulrich von Lichtenstein, Gottfried von Neifen, Ulrich von Winterstetten und Konrad von Würzburg. Ungewöhnlich ist das im ersten Lied verwendete Bild vom Liebhaber als Deuter der Augensterne seiner Angebeteten.[2] Bartsch urteilte über Albrechts Lieder: «Seine drei Minnelieder erheben sich in nichts über das gewöhnliche Niveau».[5][9]
↑Die Urkunde von 1282 wurde von Elisabeth von Rapperswil ausgestellt; der nachträgliche Eintrag von Albrecht im Codex Manesse erfolgte hingegen vom Nachtrags-Schreiber Fs, der zumeist (aber nicht ausschliesslich) Werke von Dichtern des frühen 14. Jahrhunderts aufzeichnete.
↑ abcdWolfgang Stammler, Karl Langosch et al.: Verfasserlexikon – Die deutsche Literatur des Mittelalters. S. 199/200. Walter de Gruyter, 1978, ISBN 3110072645
↑Mit der Pariser Handschrift ist vermutlich der französische roinans de la poire (Pariser hf. AF n. 7995 und SF n. 3(9) gemeint, erwähnt in Fastnachtspiele aus dem fünfzehnten Jahrhundert von Nicolaus Mercatoris, Hans Rosenplüt und Hans Folz. Deutschsprachige Ausgabe von Carnival plays, veröffentlicht von der Harvard University, 1853.
↑«Ich kenne ein Blümlein Wunderschön; Und trage danach Verlangen; Ich möcht es gerne zu suchen gehn,; Allein ich bin gefangen. Die Schmerzen sind mir nicht gering; Denn als ich in der Freiheit ging, Da hatt ich es in der Nähe;
Von diesem ringsum steilen Schloss; Lass ich die Augen schweifen Und kanns vom hohen Turmgeschoss; Mit Blicken nicht ergreifen; Und wer mirs vor die Augen brächt,; Es wäre Ritter oder Knecht, Der sollte mein Trauter bleiben.»