Albert Thelen war der Sohn des Buchhalters Louis Thelen und dessen Ehefrau Johanna geb. Scheifes. Er wurde, wie seine drei Brüder, katholisch erzogen. Seine Schulzeit absolvierte er an der Volksschule (1909–1913) und an der Kaiser-Wilhelm-Schule (1913–1918). Den Besuch des Gymnasiums in Viersen brach Thelen 1919 nach einem Jahr ab und erlernte stattdessen bis 1922 in der Firma Ling & Duhr in Süchteln den Schlosserberuf.
Anschließend bekam Thelen bei Fa. W. Schäfer in Viersen eine Anstellung als technischer Zeichner. Bereits 1923 beendete er das Arbeitsverhältnis und besuchte für ein Jahr die Textilfachschule in Krefeld. Am 19. Oktober 1925 immatrikulierte sich Thelen als „Nichtabiturient“ an der Universität zu Köln für das Fach Literatur. Nach drei Semestern wechselte er an die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster.
Bei seinen ersten Schreibversuchen als Student wählte sich Thelen als Alter Ego den zweiten Vornamen „Vigoleis“, nach eigenen Aussagen in Anlehnung an das mittelalterliche Versepos Wigalois des Wirnt von Grafenberg.
1928 arbeitete Thelen als Assistent von Karl d’Ester (1881–1960) in Köln an der Internationalen Presseausstellung „Pressa“ mit und lernte dort seine spätere Ehefrau, die Schweizerin Beatrice Bruckner kennen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich zwischen 1928 und 1931 als Arbeiter auf der Geflügelfarm seines älteren Bruders Josef. In diesen Jahren bemühte sich Thelen immer wieder zu veröffentlichen; am 12. September 1929 gelang ihm dies zum ersten Mal mit dem Artikel „Versuch einer Deutung“ über den Maler Hermann Schmitz in der Vereinigten Drei-Städte-Zeitung, der vorherigen Viersener Volkszeitung[1].
Die Jahre 1931 bis 1936 verbrachte Thelen mit Beatrice Bruckner auf der Mittelmeerinsel Mallorca. 1934 heirateten die beiden in Barcelona. Auf Mallorca begann er unter dem PseudonymLeopold Fabrizius Rezensionen zu veröffentlichen. Seine letzte Rezension unter diesem Namen schrieb Thelen am 28. April 1940. Als 1936 der Spanische Bürgerkrieg begann, vertrieben die Falangisten das Paar nach Marseille. Von dort aus führte sie die Emigration nach Auressio, Tessin.
Thelen war mit dem niederländischen Schriftsteller Hendrik Marsman, den er 1934 auf Mallorca kennengelernt hatte, bis zu dessen Tod (1940) befreundet. Zusammen mit Marsman übersetzte er die Paulus-Biografie des portugiesischen Dichters und Mystikers Teixeira de Pascoaes ins Niederländische. Auch Pascoaes’ Werk Hieronymus (Hiëronymus. De dichter der vriendschap, 1939) übersetzten sie gemeinsam. Vor der Herausgabe seines Hauptwerks Die Insel des zweiten Gesichts (1953) strich Thelen die Passagen über seinen Freund Marsman.[2]
In den Jahren 1937 bis 1939 lebten Marsman und seine Frau Rien zeitweise zusammen mit dem Ehepaar Thelen im Exil im Tessin. Als sie vom deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt erfuhren, schien ihnen der Aufenthalt in der Schweiz zu unsicher und sie flohen nach Bordeaux. Thelen konnte Marsman nicht bewegen, mit ihm nach Portugal (Thelen besaß eine Einladung von Pascoaes) zu kommen. Marsman flüchtete nach England. Unterwegs ging das Schiff unter; er ertrank, seine Frau konnte gerettet werden.[3] Pascoaes beherbergte Thelen und seine Frau zwischen 1939 und 1947 auf seinem Weingut „São João de Gatão“ bei Amarante. Während jener Zeit war Thelen überaus produktiv als Literat und Übersetzer.
1947 ließ sich Thelen für über sieben Jahre mit seiner Ehefrau in Amsterdam nieder.
1954 hielt sich Thelen kurz in Locarno in der Schweiz auf, um sich am Ende des Jahres in Ascona niederzulassen. Dort blieb er bis 1960 und ging dann bis 1973 nach Blonay bei Vevey. In Ascona (Casa Rocca Vispa) wie in Blonay (La Colline) verwaltete Thelen Landsitze der mexikanischen Millionärin Elita Lüttmann, deren ursprünglich aus Hamburg stammende Familie in Mexiko zu den größten Kaffeeproduzenten gehörte.
1962 wurde Thelen als „Verfolgter des Naziregimes“ anerkannt und ihm eine kleine Rente bewilligt. Als die von ihm verwalteten Güter 1973 verkauft wurden, ließ er sich mit seiner Ehefrau in Lausanne-Vennes nieder. Ende 1984 verlieh ihm das Land Nordrhein-Westfalen den Ehrentitel Professor.
Am 22. Oktober 1986 mietete sich Thelen zusammen mit seiner Ehefrau im „St.-Cornelius-Stift“ in Viersen-Dülken ein. Dort starb er im Alter von 85 Jahren am 9. April 1989. Seine Ehefrau überlebte ihn um knapp drei Jahre († 19. Januar 1992).
Dem Literaturwissenschaftler Jürgen Pütz zufolge ist Thelen bis heute „… der große Unbekannte der deutschen Literatur“, obwohl sein Roman Die Insel des zweiten Gesichts als eines der großen literarischen Werke des 20. Jahrhunderts gilt.
Nachlass
Einen erheblichen Teil seines Nachlasses schenkte Albert Vigoleis Thelen 1986 der Stadt Viersen. Er wird heute als Eigentum der Stadt Viersen im Kreisarchiv Viersen verwahrt. Der Bestand ist erschlossen und im Archivportal NRW online recherchierbar.[4]
Mehr als 1300 Originalbriefe – viele im Jahr 2023 noch unveröffentlicht – Manuskripte, sämtliche Erstausgaben, Lebensdokumente, Verlagsverträge, Urkunden, Adressbücher und Fotos aus den Privatsammlungen der Thelen-Forscher Jürgen Pütz und Leo Fiethen sind seit 2023 im Schweizerischen Literaturarchiv. Die Viersener Stadtbücherei „Albert Vigoleis Thelen“ verwahrt die Privatbibliothek des Autors. Gut ausgestattet ist auch das Rheinische Literaturarchiv im Düsseldorfer Heinrich-Heine-Institut. Dort befinden sich mehrere Gedichttyposkripte, zwei Archivkartons mit Briefwechseln sowie Widmungsexemplare von Thelen.[5]
Poetische Märzkälbereien. (erweiterte Ausgabe). Mönchengladbach 1990, ISBN 3-926738-15-4.
Die Literatur in der Fremde. (Literaturkritiken). Weidle, Bonn 1996, ISBN 3-931135-21-7.
Cartas a Teixeira de Pascoaes. (Briefe). Lisboa 1997
water closet regained. (Gedicht), Zoeterwoude 1998
Goethe anonymus. Ein Essay aus dem Goethe-Jahr 1949. Reutlingen 1999
Die Gottlosigkeit Gottes oder Das Gesicht der zweiten Insel. (Romanfragment auf CD). Bremerhaven 1999 (Der Text wurde nach dem Tode Thelens vernichtet und liegt nur auf einer Doppel-CD vor. Die CDs dokumentieren eine Lesung Thelens von 1966; das erste Kapitel des Werks, das Thelens Flucht beschreibt, erschien ungekürzt in der niederländischen Zeitschrift Maatstaf).[7]
Meine Heimat bin ich selbst. Briefe 1929 – 1953. herausgegeben und mit einem Vorwort versehen von Ulrich Faure und Jürgen Pütz. DuMont, Köln 2010, ISBN 978-3-8321-9559-5.
Im Land des Don Quijote. Drei Briefe aus Mallorca, einer davon unveröffentlicht. Mit zweifarbigen Holzschnitten von Stefan Knechtel. Vorwort von Jürgen Pütz. Quetsche, Witzwort 2014. ISBN 978-3-939307-60-0. 77 Exemplare im Schuber.
Übersetzungen
Teixeira de Pascoaes: Hieronymus. Der Dichter der Freundschaft. Tiefland, Amsterdam/Leipzig 1941 (zuerst niederländisch: Hieronymus, de dichter der vriendschap. Meulenhoff, Amsterdam 1939)
Teixeira de Pascoaes: Das dunkle Wort. Aphorismen. Rascher, Zürich 1949
Lou Lichtveld (Text), C. F. A. Bruijning (Photos): Surinam. Neues Leben auf alter Erde. S. Fischer, Frankfurt 1957
Jattie Enklaar, Hans Ester (Hrsg.): Albert Vigoleis Thelen. Rodopi, Amsterdam 1988, ISBN 90-6203-820-4
Klaus-Jürgen Hermanik: Ein vigolotrischer Weltgucker. Die Prosa des Albert Vigoleis Thelen im Zusammenhang mit dem deutschsprachigen Pikaroroman. Peter Lang, Frankfurt 1996, ISBN 3-631-49881-0
Jürgen Pütz (Hrsg.): In Zweifelsfällen entscheidet die Wahrheit. Beiträge zu Albert Vigoleis Thelen. Juni Verlag, Viersen 1988, ISBN 3-926738-01-4
Horst Winz (Hrsg.): Hommage à Albert Vigoleis Thelen. Juni Verlag, Mönchengladbach 1989, ISBN 3-926738-04-9
Jürgen Pütz: Doppelgänger seiner selbst. Der Erzähler Albert Vigoleis Thelen. Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden 1990, ISBN 3-8244-4048-2
Lauter Vigoleisiaden oder Der zweite Blick auf Albert Vigoleis Thelen. Schwerpunktheft die horen, 199. Bremerhaven 2000 ISSN0018-4942
Jürgen Pütz (Hrsg.): Albert Vigoleis Thelen. Erzweltschmerzler und Sprachschwelger. Eine Bildbiographie. edition die horen, Bremerhaven 2003, ISBN 3-89701-984-1
Heinz Eickmans, Lut Missinne (Hrsg.): Albert Vigoleis Thelen. Mittler zwischen Sprachen und Kulturen. Niederlande-Studien, 38. Waxmann, Münster 2005, ISBN 3-8309-1492-X
Enno van der Eerden: Ascona, bezield paradijs. Uitgeverij Bas Lubberhuizen, Amsterdam 2012, ISBN 978-90-5937-232-0
Moritz Wagner, Magnus Wieland (Hrsg.): Albert Vigoleis Thelen. Ein moderner Tragelaph. Perspektiven auf ein vielgestaltiges Werk. Aisthesis, Bielefeld 2019 (Moderne-Studien, 24) ISBN 978-3-8498-1327-7
„Albert Vigoleis Thelen: Schriftsteller“, in: Paul Eßer/Torsten Eßer: Viersener Köpfe. Bekannte Bürger(innen) unserer Stadt und ihre Geschichte(n), Kater Verlag, Viersen 2023, S. 246–256.
↑Willem Aalten van den Broek: Paulus der Dichter Gottes. Die Geschichte einer Übersetzung. In: Jürgen Pütz (Hrsg.): In Zweifelsfällen entscheidet die Wahrheit. Beiträge zu Albert Vigoleis Thelen. Juni Verlag. Viersen 1988, ISBN 3-926738-01-4.
↑Jürgen Pütz: Doppelgänger seiner selbst. Der Erzähler Albert Vigoleis Thelen. Deutscher Universitäts-Verlag. Wiesbaden 1990, ISBN 3-8244-4048-2, S. 27–29.
↑Lothar Schröder: Vigoleis wandert wieder aus – Die Schweiz erhält große Teile des Nachlasses von Albert Vigoleis Thelen. Seine Geburtsstadt und das Rheinische Landesmuseum gehen leer aus. In: Rheinische Post, 20. September 2023, S. D1.