Der Verein Aktion Tier – Menschen für Tiere e. V. (bis April 2006 Deutsches Tierhilfswerk e. V.)[2] mit Sitz in Berlin ist mit rund 200.000 Mitgliedern[3] einer der größten Tier- und Naturschutzvereine in Deutschland.
Laut Satzung[4] ist der Vereinszweck der Tier- und Naturschutz. Durch Aufklärung soll das Verständnis für die Tier- und Pflanzenwelt verbessert und die artgerechte Haltung von Tieren gefördert werden. Dies soll durch Informationsveranstaltungen und Kampagnen erreicht werden.[5] Beim Erreichen dieser Ziele sollen eigene Tierschutzprojekte im In- und Ausland und die Unterstützung anderer Organisationen helfen.
Grundsätzlich lehnt der Verein den Bau von Tierheimen ab,[1] da der Aufenthalt eines Tieres im Tierheim nur sehr eingeschränkt dessen arttypischen Bedürfnissen gerecht werden könne und es daher langfristig keinen Sinn habe, ausschließlich in neue Tierheime zu investieren. Seinen Arbeitsschwerpunkt sieht der Verein deswegen in der Präventionsarbeit. Nur durch tierschutzbewusstes Denken und Handeln des Einzelnen könne auf Dauer die Anzahl von Abgabetieren in Tierheimen reduziert und Tierleid verhindert werden.[1]
Aktivitäten
Aktion Tier arbeitet nach eigenen Angaben neben der Versorgung von Not leidenden Tieren vor allem im Bereich der Aufklärung und Prävention und führt dazu jährlich mehrere Tausend Aktionen durch.[6]
In der Vergangenheit machte der Verein so unter anderem auf das Thema Tierhortung aufmerksam (z. B. Exklusiv-Die Reportage, Brisant oder Kerner)[7][8] und dokumentierte einzelne Fälle.[9][10][11] Infolgedessen kam es auch zu Eingriffen von Behörden.[9][11][12] Er möchte auch dem illegalen Welpenhandel entgegenwirken und warnt davor, Hunde auf Märkten, in Fußgängerzonen oder über Kleinanzeigen zu erwerben.[13][14] Er kritisiert, dass trotz eines gesetzlichen Handelsverbotes für Hunde und Katzen auf polnischen Märkten dort weiterhin Tiere verkauft werden.[15] Bei diversen Aktionen versucht der Verein, illegale Welpenhändler zu überführen.[16]
Projekte
Der Verein fördert Tierschutzprojekte vor allem aber in Deutschland. Er finanziert auch eigene Projekte wie die Tierrettung München[17] oder das Projekt Eichhörnchenseil.[18][19] Gefördert werden auch Tierheime und Wildtierauffangstationen und die medizinische Betreuung der Tiere.[20]
Tierschutzzimmer und Tierschutzunterricht
Der Verein möchte Kinder für Natur- und Tierschutzthemen sensibilisieren. Jährlich werden Tierschutzferien für Schulkinder angeboten.[21][22][23] Im September 2011 eröffnete der Verein das erste von inzwischen 23 Kinder-Tierschutzzimmern (Stand: Juli 2022).[24][25]Schirmherrin der Tierschutzzimmer ist Gabriele Prinzessin zu Leiningen.[24] Sängerin Sandy Mölling eröffnete als Tierschutzbotschafterin einige Tierschutzzimmer.[26] Der Verein bietet zusätzlich Tierschutzunterricht an Schulen und Kindergärten an.[27]
Projekt Kitty
Mit dem Projekt Kitty bemüht sich der Verein um eine Eindämmung der Straßenkatzenpopulation durch gezielte Kastrationsaktionen.[28] Er setzt sich für eine gesetzliche Kastrations- und Kennzeichnungspflicht für Katzen mit Freigang ein.[29][30] Die Stadt Paderborn führte 2008 in Zusammenarbeit mit aktion tier e. V. die bundesweit erste Kastrationspflicht für Hauskatzen mit Freigang ein, das sogenannte „Paderborner Modell“.[31][32] Insgesamt mindestens 1075 weitere deutsche Städte und Gemeinden erließen nach diesem Vorbild Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungsverordnungen für Hauskatzen mit Freigang (Stand Juni 2022).[33] Seit Juni 2022 gilt auch im Bundesland Berlin eine solche Katzenschutzverordnung.[34]
Die Stiftung Menschen für Tiere wurde 2003 gegründet.[46] Bei Auflösung des Vereins fällt dessen Vermögen an die Stiftung.
Kampagnen (Auswahl)
Im Rahmen der Präventionsarbeit startet der Verein regelmäßig Informationskampagnen zu verschiedenen Themen. Einige Beispiele:
Jahr
Namen
Inhalt
2022
"Todschick – So viel Tierleid steckt in unserer Kleidung"[5]
Informationen über die negativen Aspekte von Fast Fashion sowie die Herstellungsprozesse von Kleidungsstücken aus tierischen Materialien (u. a. Seide, Leder), welche in Verbindung mit Tierleid stehen würden. Ziel sei es, dem Konsumenten Wissen für eine tier- und umweltbewusste Kaufentscheidung zu vermitteln.[47]
Da beim maschinengestützten Gärtnern viele Insekten, Igel und andere Lebewesen gefährdet seien, beschreibt die Kampagne alternative, umweltfreundliche Methoden der Gartenpflege.[49]
Ratgeber für Eltern, deren Kinder sich ein Haustier wünschen. Es werden Tipps gegeben, wie man dem Wunsch des Kindes nach einem Tier umgehen könnte sowie Alternativen zur Tierhaltung aufgezeigt.[51]
Informationen über krankhafte Tierhortung. Der Verein fordert im Rahmen der Kampagne ein Bundeszentralregister, in dem Animal Hoarder und andere Tierquäler verzeichnet sind.[53]
Die Art der Weißbrustigel sei in einigen Bundeslängern in ihrem Bestand gefährdet. Mit der Kampagne werden Tipps rund um den Igelschutz gegeben. Einhergehend mit der Kampagne eröffnete der Verein das aktion tier Igelzentrum Niedersachsen, eine Auffangstation für hilfebedürftige Igel.[55]
2011
"Unschuldig hinter Gittern – Kaninchen in der Intensivmast"
Informationen über das Leid von Kaninchen in Massentierhaltung. Im Rahmen des Bündnisses „Kaninchenmast – nein danke!“ wurde gemeinsam mit anderen Tierschutzvereinen ein Verbot der Käfighaltung sowie die Einführung einer verbindlichen Haltungsverordnung gefordert.[56]
Die Kampagne beschreibt die negativen Aspekte privater Wildtierhaltung und rät vom Kauf eines exotischen Haustieres ab, da eine artgerechte Haltung nach Meinung des Vereins nicht möglich sei.[58]
Kritik
Aktion Tier hieß früher Deutsches Tierhilfswerk. Es wurde 1985 u. a. von Wolfgang Ullrich gegründet.[2] Ullrich veruntreute als Vereinsvorsitzender und -gründer des Deutschen Tierhilfswerks und dessen Schwesterverein Förderverein Europäisches Tierhilfswerk ca. 50 Millionen DM (25 Millionen Euro) und wurde im April 2003 wegen Untreue in 137 Fällen vom Landgericht München II zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und dessen Generalbevollmächtigter für Untreue in 60 Fällen und Beihilfe zur Untreue in 77 Fällen zu achteinhalb Jahren.[59] 2006 ist Ullrich auf Bewährung entlassen worden. Im selben Jahr benannte sich der Verein um.[2][60] 1991 verlor das Deutsche Tierhilfswerk wegen Spendenskandalen und umstrittener Werbemethoden seine Gemeinnützigkeit aus § 52Abgabenordnung (AO)[59] und somit auch seine Steuerbegünstigung, das bedeutet unter anderem die fehlende Berücksichtigungsfähigkeit von Zuwendungen (Spenden) an den Verein bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer des Spenders. Dieser Zustand dauert bis heute (Stand Juli 2015) an.
In Rheinland-Pfalz versagte die zuständige Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) der Aktion Tier 2008 die Genehmigung, in den Städten und Gemeinden dieses Bundeslandes um Mitglieder zu werben. Eine Überprüfung der Behörde ergab, dass es „erhebliche Zweifel an einer einwandfreien und zweckentsprechenden Verwendung der Spendengelder“ gebe.[61]
Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel stellte im Oktober 2009 fest, dass von rund zwölf Millionen Euro Einnahmen nur ein Bruchteil Tieren direkt zugute komme.[61][62] Daraufhin erwirkte der Verein eine gerichtliche Verfügung gegenüber dem Spiegel aufgrund von Falschaussagen.[63]
↑aktion tier-menschen für tiere e. V.: aktion tier e. V. stellt sich vor. 29. März 2014, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 1. Dezember 2020; abgerufen am 12. Februar 2021.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aktiontier.org
↑Cirstin Listing: Massenvermehrung: Das verborgene Leid der verwahrlosten Streunerkatzen. In: DIE WELT. 14. September 2015 (welt.de [abgerufen am 7. Juli 2022]).
↑Julia Koch: Tiere: Kranke Streuner. In: Der Spiegel. 9. August 2010, ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Juli 2022]).
↑Stefan Jacobs: Blitzerfalle für Eichhörnchen. In: Der Tagesspiegel Online. 21. Juli 2014, ISSN1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 7. Juli 2022]).