Ad-Duhā (arabisch الضحى, DMGaḍ-Ḍuḥā ‚Der helle Morgen‘) ist der Name der 93. Sure des Korans. Sie besteht aus 11 Versen zuzüglich der Basmala und wurde in Mekka verkündet. Der Name der Sure ist dem ersten Vers entnommen.
Theodor Nöldeke zählt ad-Duhā in seiner Chronologie des Korans zu den frühmekkanischen Suren und setzt ihre Verkündung geringfügig später an als die sehr ähnliche Sure 94,[1] womit er sich in hohem Grade im Einklang mit traditionellen muslimischen Chronologisierungsversuchen befindet, die die Sure ebenfalls zu den frühesten Offenbarungen zählen. Harris Birkeland setzte sie gemeinsam mit den Suren 94, 108 sowie 105 und 106 an den Beginn der koranischen Textgenese.[2]Rudi Paret widersprach dieser Auffassung sehr deutlich, da er anhand des Textbefundes von einer Synchronizität mit anderen frühen Suren ausging.[3] Demgegenüber ist Birkelands Auffassung von Angelika Neuwirth auf Grundlage ihrer literaturwissenschaftlichen und philologischen Untersuchungen im Wesentlichen übernommen worden.[4]Nicolai Sinai bestätigt den inhaltlichen und chronologischen Zusammenhang der Suren 93, 94 und 103 als „Trostsuren“, setzt sie jedoch zeitlich deutlich später an als die Suren 105 und 106, da sie den Dialog zwischen Gott und dem Verkünder ins Zentrum setzten, während in den Suren 105 und 106 die Auseinandersetzung mit den Quraisch im Vordergrund stehe.[5]
Die Sure beginnt mit einer für die frühmekkanischen Suren recht typischen kontrastiven Schwurpassage. Ab dem dritten Vers geht diese über in eine direkte Ansprache des exemplarisch für den frommen Gläubigen stehenden prophetischen Verkünders. Stilistisch und inhaltlich steht die Passage der biblischen Textsorte des Psalms nahe[6] und beschreibt wie diese die Beseitigung eines irdischen Mangels durch göttliche Intervention, die schließlich ab dem neunten Vers in einem aus Dankbarkeit gegenüber dem Wohlwollen Gottes resultierenden Ethos kulminiert: So wie Gott den Frommen aus der Not errettete, solle dieser nun selbst andere Bedürftige nicht bedrängen, sondern ihnen die göttliche Gnade vermitteln. Damit weist die Sure inhaltlich eine Dreiteilung auf und ist daher trotz ihrer Kürze recht komplex.
Interpretatoren neigen in der Ausdeutung der Sure zu biografistischen Ansätzen: Bereits in der frühen islamischen Koranexegese wird als Offenbarungsanlass die Bedrängung des Propheten durch seine Gegner in Mekka genannt; die Sure sei herabgesandt worden, um ihm Trost zu spenden und Mut zuzusprechen.[7] Gleichermaßen wurde etwa der siebte Vers von Rudi Paret als Verweis auf die Aufgabe des heidnischen Glaubens zugunsten einer neuen Gotteserkenntnis durch Mohammed selbst gewertet.[8]Hartmut Bobzin hingegen weist sowohl diese biografistische Deutung als auch das historisierende Verständnis der Sure als „Trostrede“ zurück und sieht sie vielmehr als allgemein gehaltenen Aufruf zur Gerechtigkeit gegenüber Schwächeren.[9]
↑Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorans. Verlag der Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen, 1860, S. 75.
↑Harris Birkeland: The Lord Guideth: Studies on Primitive Islam. Oslo, 1956, S. 133.
↑Rudi Paret: „Leitgedanken in Mohammeds frühesten Verkündigungen“. In: Rudi Paret (Hrsg.), Der Koran. Text und Kommentar. Darmstadt, 1975, S. 219.
↑Angelika Neuwirth: Der Koran I: Frühmekkanische Suren. Verlag der Weltreligionen, Berlin, 2011, S. 77ff.
↑Nicolai Sinai: „The Qurʾan as Process“. In: Angelika Neuwirth, Nicolai Sinai, Michael Marx (Hrsg.): The Qurʾān in Context. Historical and Literary Investigations into the Qurʾānic Milieu. Brill, Leiden, 2010, S. 426ff.
↑Angelika Neuwirth, Der Koran als Text der Spätantike. Ein europäischer Zugang. Verlag der Weltreligionen, Berlin, 2010, S. 398ff.
↑ Michael Fisch und Ahmed Haykel Gaafar: Weder verließ dich dein Herr, noch verschmähte er dich. Ein arabisch-deutscher Kommentar zu Sure 93 »ad-duhâ« (Der helle Morgen). In: »Transkulturelle Hermeneutik II«. Beiträge auf Einladung der Abteilung für deutsche Sprache und Literatur an der Hebräischen Universität in Jerusalem. Herausgegeben von Michael Fisch und Amir Engel. Weidler, Berlin 2021, ISBN 978-3-89693-762-9, S. 243.
↑Rudi Paret: Mohammed und der Koran. Geschichte und Verkündigung des arabischen Propheten. Kohlhammer, Stuttgart, 1957, S. 40.
↑Hartmut Bobzin: Der Koran: Eine Einführung. C. H. Beck, München, 1999, S. 28f.