Active Layered Theatre Ballistic Missile Defence (ALTBMD) ist das seit September 2005 durch den Nordatlantikrat bezeichnete NATO-Programm zur Raketenabwehr in Europa und sieht dabei die Erfassung und Bekämpfung von gegnerischen Kurz- und Mittelstreckenraketen bis zu einer Reichweite von 3000 km vor. Es ähnelt dem US-amerikanischen Raketenabwehrprogramm National Missile Defense. Das ALTBMD-Programm wird aber ohne Ground-Based Interceptor-Raketen nicht über die Möglichkeit zur Abwehr von Interkontinentalraketen (ICBM) verfügen. Am 20. November 2010 beschlossen die Vertreter der NATO-Mitgliedstaaten auf ihrem Gipfel in Lissabon die Ausweitung des geplanten Raketenschildes auf die Territorien und die Bevölkerung Europas.[1]
Seit 2009 wird bei den Planungen der Einsatz von mobilen und modular einsetzbaren Abwehrsystemen favorisiert. Als zuständige NATO-Behörde für das Abwehrprogramm ist die NATO Consultation, Command and Control Agency (NC3A) mit Sitz in Brüssel und Den Haag zuständig. Zu ihr gehört das Active Layered Theatre Ballistic Missile Defence Programme Office (ALTMBD PO) unter der Leitung des italienischen Brigadegenerals Alessandro Pera.
Am 18. September 2006 vergab die NATO einen ersten Vertrag an die US-amerikanische Science Applications International Corporation (SAIC) zur Entwicklung eines regionalen Raketenabwehrprogramms. An dem Rüstungskonsortium um SAIC beteiligt sind seitdem neben der US-amerikanischen Raytheon auch europäische Rüstungsunternehmen: Thales Group (Frankreich), IABG und Diehl BGT Defence (Deutschland), QinetiQ (Großbritannien), TNO (Niederlande), DATAMAT (Italien) und Airbus Defence and Space (früher EADS Astrium).
Unmittelbar nach dem Ende des ersten Angriffskriegs von Russland in der Ära Putin im Kaukasus kam es am 15. August 2008 zwischen den USA und Polen zu einer Einigung über die Stationierung von Abwehrraketen des Typs Ground-Based Interceptor (GBI) im Verbund mit dem geplanten Frühwarnradar bei Brdy in Tschechien. Geplant war die Stationierung von 10 US-amerikanischen Abfangraketen bei Stolp (Słupsk) in Nordpolen.[3] Damals stand der Krieg gegen den Terror im Fokus, der Raketenschild sollte der Abwehr von Raketen in Händen von Terror-Organisationen und derer staatlichen Verbündeten im Mittleren Osten dienen.
Obwohl die geplanten Anlagen ausdrücklich nicht gegen Russland gerichtet waren, drohte das Land wegen des von den USA in Polen und Tschechien geplanten Raketenabwehrschildes, Kurzstreckenraketen vom Typ Iskander (SS-26 Stone) in Kaliningrad aufzustellen. Der russische Präsident Dmitri Medwedew bot den USA in einem Interview an, auf eine Stationierung in Kaliningrad zu verzichten, wenn diese im Gegenzug von der Installation des Raketenabwehrsystems absehen.[4]
Nachdem Präsident Barack Obama im September 2009 den Verzicht der Vereinigten Staaten auf die Errichtung des Abwehrschilds in Polen und Tschechien erklärt hatte,[5] wurde die Aufgabe der russischen Stationierungspläne in Kaliningrad erklärt.[6]
Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den USA bezüglich des europäischen Raketenschildes nahm Russland seine ursprünglichen Pläne allerdings wieder auf. Im Dezember 2013 war die Stationierung von Iskander-M-Systemen in Kaliningrad abgeschlossen.[7] Im Wissen um die Entwicklungen nach 2013 erschien der seinerzeitige russische Protest später in einem anderen Licht.
Im Mai 2016 erklärte[8] die NATO das erste bodenbasierte Abwehrelement in Europa im Rumänischen Deveselu als einsatzbereit. Die Anlage ist mit 24 Startzellen für Raketen ausgestattet. Das zweite oben erwähnte System in Słupsk konnte nach einigen Verzögerungen erst am 13. November 2024 offiziell in Dienst gestellt werden. Beide Anlagen unterstehen dem Allied Air Command.